Die Einordnung einer Person als Verbraucher oder Unternehmer ist vor allem dann mit Unsicherheiten behaftet, wenn diese den Vertrag sowohl für private als auch für unternehmerische Zwecke abschließt (sog Dual-use-Geschäft). Was hat also beispielsweise zu gelten, wenn der Kreditnehmer den Kreditbetrag zu 35 % für unternehmerische Zwecke und zu 65 % für private Zwecke verwendet?
Mit dieser Frage musste sich unlängst der EuGH in der Rechtssache C-570/21, YYY SA beschäftigen. Anders als in früheren EuGH-Entscheidungen ging es diesmal aber nicht um die Gerichtszuständigkeit, also die Beurteilung der Verbrauchereigenschaft im Sinne der EuGVVO, sondern darum, ob sich der Kreditnehmer (als Kläger) auf die Klausel-RL berufen kann.
Im Anwendungsbereich der EuGVVO (bzw. dem EuGVÜ) hat der EuGH schon mehrfach ausgesprochen „dass sich eine Person, die einen Vertrag zu einem Zweck abschließt, der sich teilweise auf ihre beruflich‑gewerbliche Tätigkeit bezieht und der somit nur zu einem Teil nicht dieser Tätigkeit zugerechnet werden kann, grundsätzlich nicht auf diese Vorschriften [Anm. Art 13 bis 15 EuGVÜ] berufen kann. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Verbindung zwischen diesem Vertrag und der beruflich‑gewerblichen Tätigkeit des Betroffenen so schwach wäre, dass sie nebensächlich würde und folglich im Zusammenhang des Geschäftes, über das der Vertrag abgeschlossen wurde, insgesamt betrachtet nur eine ganz untergeordnete Rolle spielte.“). Die Verbrauchereigenschaft im Sinne der EuGVVO ist demnach immer dann zu verneinen, wenn die unternehmerische Tätigkeit nicht nur ganz untergeordnet ist („Vernachlässigbarkeitstests“).
Eine unternehmerische Zwecksetzung von 35 % – wie im gegenständlichen Ausgangsfall – ist nicht ganz untergeordnet. Die Verbrauchereigenschaft nach der EuGVVO wäre demnach nach dieser Rechtsprechung des EuGH zu verneinen.
In der aktuellen Entscheidung führte der EuGH aber aus, dass sich seine zur EuGVVO ergangene Rechtsprechung nicht auf die Klausel-RL übertragen lässt. Im Anwendungsbereich der Klausel-RL ist der Verbraucherbegriff nach Ansicht des EuGH – in Übereinstimmung mit anderen europäischen Rechtsakten – weiter auszulegen.
Letztlich gelangt der EuGH zum Ergebnis, dass im Geltungsbereich der Klausel-RL eine Person dann als Verbraucher anzusehen ist, „wenn der Vertrag teilweise für gewerbliche oder berufliche und teilweise für nicht gewerbliche oder nicht berufliche Zwecke abgeschlossen wird und der gewerbliche oder berufliche Zweck im Gesamtzusammenhang des Vertrags nicht überwiegend ist“. Es kommt demnach darauf an, welche Zwecksetzung überwiegt, also den Schwerpunkt bildet („Schwerpunktmethode“).
Der dem Ausgangsverfahren zugrundeliegende „gemischte Kreditvertrag“, der aufseiten des Kreditnehmers eine unternehmerische Zwecksetzung von 35 % aufweist, zeigt die Konsequenzen der divergierenden Verbraucherbegriffe anschaulich:
Während keine Verbrauchersache im Sinne der EuGVVO vorliegt, weil ein unternehmerischer Anteil von 35 % nicht ganz untergeordnet ist, ist die Verbraucheigenschaft im Geltungsbereich der Klausel-RL zu bejahen, weil der unternehmerische Anteil auch nicht den Schwerpunkt bildet, also nicht überwiegt.
Dazu und zu den Fragen, ob bzw. wie sich diese Entscheidung des EuGH auf den Verbraucherbegriff des KSchG auswirkt und ob eine Korrektur der bisherigen Rechtsprechung des OGH geboten erscheint, hat sich unser Partner >>Dr. Christoph Zehentmayer<< in der Zeitschrift für Finanzmarktrecht (ZFR 2023/176, 385) weiterführende Gedanken gemacht.
Der Volltext des Besprechungsaufsatzes kann (Zugangsdaten vorausgesetzt) unter nachstehendem Link abgerufen werden: