Seit wenigen Tagen liegt der Ministerialentwurf zum Gesellschaftsrecht-Änderungsgesetz 2023 (GesRÄG 2023) vor; Kernstück davon ist das (geplante) Bundesgesetz über die Flexible Kapitalgesellschaft.
Die Flexible Kapitalgesellschaft soll als neue Kapitalgesellschaftsform vor allem die besonderen Bedürfnisse von Startups und anderen innovativen Unternehmen befriedigen. Und tatsächlich bietet die FlexKapG nach dem Ministerialentwurf einige Möglichkeiten, die der GmbH nicht zur Verfügung stehen.
Dabei handelt es sich zum Teil um formelle Erleichterungen. So kann etwa – bei entsprechender Gestattung im Gesellschaftsvertrag – die schriftliche Abstimmung per se für zulässig erklärt werden, ohne im Einzelfall die Zustimmung (zur schriftlichen Abstimmung) sämtlicher Gesellschafter einholen zu müssen (§ 7 FlexKapGG). Auch die Übertragung von Geschäftsanteilen wird nach dem Ministerialentwurf in formeller Hinsicht erleichtert: Ist im GmbHG für die Übertragung stets ein Notariatsakt erforderlich (§ 76 GmbHG), genügt bei der FlexKapG auch eine Anwaltsurkunde (§ 12 FlexKapGG).
Inhaltlich besteht die wesentliche Neuerung darin, dass bei der FlexKapG eine eigene Anteilsklasse der Unternehmenswert-Anteile geschaffen werden soll (§§ 9 ff FlexKapGG). Diese Unternehmenswert-Anteile – mit denen grundsätzlich kein Stimmrecht in der Generalversammlung einhergeht – haben insbesondere den Zweck, eine erleichterte und rechtssichere Mitarbeiterbeteiligung zu ermöglichen, wenngleich diese Anlageklasse nicht nur Mitarbeitern zur Verfügung steht. Derartige Unternehmenswert-Anteile sollen nach dem Ministerialentwurf besonders einfach übertragen werden können, sodass sogar die bloße Schriftform genügt. Außerdem ist auch nicht jede Übertragung von Unternehmenswert-Anteilen beim Firmenbuch zu melden; diesem ist nur einmal jährlich (innerhalb von 9 Monaten nach dem Bilanzstichtag) von der Geschäftsführung eine Namensliste der Unternehmenswert-Anteilsinhaber (= Unternehmenswert-Beteiligten) vorzulegen.
Im Übrigen wurde auch an den Schutz der Unternehmenswert-Beteiligten gedacht. Das betrifft zum einen ein gesellschaftsvertraglich sicherzustellendes Mitverkaufsrecht, wenn die Gründungsgesellschafter ihre Geschäftsanteile mehrheitlich veräußern (§ 10 FlexKapGG). Sind die Unternehmenswert-Beteiligten zugleich Mitarbeiter der Gesellschaft, gibt es darüber hinaus besondere Informationspflichten; außerdem ist im Gesellschaftsvertrag festzulegen, an wen und zu welchen Konditionen die Unternehmenswertanteile veräußert werden können, wenn das Arbeitsverhältnis mit der Gesellschaft beendet wird (§ 11 FlexKapGG).
Anders als im GmbH-Recht gibt es bei der FlexKapG außerdem die (eingeschränkte) Möglichkeit eigene Anteile zu erwerben, was sich wiederum insbesondere bei den Unternehmenswert-Anteilen anbietet (§ 15 FlexKapGG).
Vereinzelt sieht das FlexKapGG aber auch strengere Vorschriften als das GmbH-Gesetz vor. So ist insbesondere die Pflicht zur Bestellung des Aufsichtsrates etwas niederschwelliger als bei der GmbH (§ 6 FlexKapGG). Immer dann, wenn eine verpflichtende Abschlussprüfung nach § 268 UGB vorgeschrieben ist, soll auch die Verpflichtung zur Bestellung des Aufsichtsrates bestehen.
Im Ministerialentwurf wurde außerdem auch schon an die Möglichkeit der Umwandlung einer GmbH in eine FlexKapG (und umgekehrt) gedacht (§ 25 FlexKapGG). Nach den Erläuterungen zum Ministerialentwurf sind die inhaltlichen Unterschiede zwischen FlexKapG und GmbH rechtlich so gestaltet, dass es weder besonderer Maßnahmen zum Schutz der Gläubiger (wie Umwandlungsbilanz, Sicherstellungsanspruch oder Gründungsprüfung) noch eines Barabfindungsanspruches für mit der Umwandlung nicht einverstandene Gesellschafter bedarf.
Das Mindeststammkapital der FlexKapG beträgt € 10.000,00, wovon zumindest die Hälfte in bar einzuzahlen ist. In diesem Punkt unterscheidet sie sich künftig nicht zur GmbH, weil auch bei dieser das Mindeststammkapitel entsprechend geändert werden soll.
Die Begutachtung des Ministerialentwurfs endet am 07.07.2023. Danach wird eine zuverlässigere Aussage darüber getroffen werden können, ob das FlexKapGG – wie im Ministerialentwurf vorgesehen – tatsächlich am 01.11.2023 in Kraft treten wird.
Die Zukunft wird zeigen, ob die FlexKapG der GmbH den Rang ablaufen wird. Auf den ersten Blick spricht aber einiges dafür, weil die neue Gesellschaftsform (wenn sie in dieser Form auch tatsächlich kommt) gegenüber der GmbH kaum Nachteile hat, aber doch deutlich mehr Gestaltungsmöglichkeiten bietet.
Apropos zukünftige Entwicklung: Naturgemäß bringt ein neues Gesetz (bzw. ein Gesetzesentwurf) auch (neue) Auslegungsfragen mit sich. Nicht anders ist es beim geplanten Gesetz über die Flexible Kapitalgesellschaft. Aus praktischer Sicht darf insbesondere mit Spannung erwartet werden, in welchem Rahmen sich die Konditionen (also insbesondere der Kaufpreis) im Fall der Verkaufsoption einer vom ausscheidenden Mitarbeiter gehaltenen Unternehmenswert-Anteil bewegen dürfen (siehe § 11 Abs 2 FlexKapGG). Konkret geht es darum, ob die bei virtuellen Mitarbeiterbeteiligungen übliche Unterscheidung zwischen Good- und Bad-Leaver auch auf die Unternehmenswert-Anteile von Mitarbeitern fortgeschrieben werden kann. Und bejahendenfalls, ob es zulässig wäre, den „Kaufpreis“ beim Bad-Leaver deutlich unter dem Verkehrswert, mit dem Buchwert oder gar nur mit der Stammeinlage anzusetzen?
Dafür spricht die bisherige Praxis bei virtuellen Mitarbeiterbeteiligungen und das Bedürfnis der Gesellschaft (die regelmäßig die Pflicht zum Kauf treffen wird, wenn der ausscheidende Mitarbeiter seine Verkaufsoption ausübt) dem ausscheidenden Mitarbeiter – noch dazu einem Bad-Leaver – nicht den vollen Verkehrswert zahlen zu müssen, zumal der Gesellschaft selbst durch den Rückerhalt des Anteils keine liquiden Mittel zufließen. Hinzu kommt auch, dass der ausscheidende Mitarbeiter seine Verkaufsoption nicht ausüben muss. Dagegen könnte das Sittenwidrigkeitsverdikt des § 879 Abs 1 ABGB, das Rechtsinstitut der laesio enormis oder auch § 11 Abs 2 FlexKapGG selbst sprechen. Ausweislich der Materialien soll es sich dabei um eine verpflichtende Verkaufsoption handeln. Wenn aber nun der „Kaufpreis“ ggf. unter der Hälfte des Verkehrswerts liegt, sodass eher von einer (gemischten) Schenkung zu sprechen ist, muss zumindest hinterfragt werden, ob sich das mit dem Normzweck vereinbaren lässt. Auch auf Beraterseite bleibt es daher jedenfalls spannend …