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Aktuelles zur Verbraucher­eigenschaft nach der EuGVVO bzw. dem LGVÜ

29. 11. 2021, 8 Ob 71/21f u.a.

Der Anlassfall

Der OGH hat sich in letzter Zeit gleich mehrfach mit Abgrenzungsfragen des Verbraucherbegriffes nach Art 15 LGVÜ (bzw. Art 17 EuGVVO) befassen müssen. Den Anfang dabei macht der achte Senat in der Entscheidung 8 Ob 71/21, der die Frage zu klären hatte, ob der in Österreich wohnhafte Kläger sein Begehren auf Rückzahlung der für den Erwerb von Rabattgutscheinen an die – in der Schweiz ansässigen – Beklagte geleisteten Beträge vor den österreichischen Gerichten geltend machen kann. Dies obwohl ein ausschließlicher (internationaler) Gerichtsstand zugunsten von Buchs, Kanton St. Gallen, Schweiz, vereinbart worden ist. Auf diese Gerichtsstandsvereinbarung kann sich die Beklagte jedoch nicht berufen, wenn eine sogenannte „Verbrauchersache“ iSd Art 15 LGVÜ vorliegt.

Die wesentliche Entscheidungsbegründung

Einleitend hält der 8. Senat fest, dass das LGVÜ inhaltlich mit den Art 1 bis 61 der EuGVVO nahezu wortgleich übereinstimmt, sodass die diesbezügliche Literatur und Rechtsprechung weitgehend auch für das LGVÜ herangezogen werden kann.

Weiters stellt der OGH in Bezug auf die Judikatur des EuGH klar, dass nur „der nicht berufs- oder gewerbebezogen handelnde private Endverbraucher“ geschützt werden soll. Vom Verbrauchergerichtsstand seien daher nur Verträge erfasst, „die eine (natürliche) Einzelperson zur Deckung ihres Eigenbedarfs beim privaten Verbrauch schließt und die keinen Bezug zu einer gegenwärtigen oder zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person haben“. Schon der Bezug zu einer zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit schade, so sind etwa Vorbereitungsgeschäfte zur Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit vom Schutzbereich der Zuständigkeitsregeln für Verbraucher nicht erfasst.

Bei sowohl privaten als auch beruflich-gewerblichen Zwecken dienenden Verträgen („Dual-use-Geschäfte“) liegt ein Verbrauchervertrag dann vor, wenn „der beruflich-gewerbliche Zweck derart nebensächlich ist, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäfts nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt“. Bei gemischten Zwecken sei daher eine Gesamtbewertung geboten, „bei der Inhalt, Art und Zweck des Vertrags sowie die objektiven Umstände bei Vertragsabschluss zu berücksichtigen sind“.

Das Geschäftsmodell der Beklagten im Zusammenhang mit den Rabattgutscheinen lässt sich nach Ansicht des OGH dahin zusammenfassen, dass der „Marketer“ durch den Erwerb der Rabattgutscheine an der regelmäßigen Ausschüttung von „Shopping Points“ teilnimmt, für die wiederum periodische Auszahlungen in Geld in Aussicht gestellt werden. Das Geschäftsmodell der Beklagten könne von den „Marketern“ daher geradezu als (private) Kapitalanlage genutzt werden.

Abschließend musste der achte Senat noch auf einen Punkt in den Zusatzbedingungen bzw. AGB eingehen. In den Geschäftsbedingungen, denen sich der Kläger unterworfen hatte, hat sich die Beklagte nämlich bestätigen lassen, dass der Marketer (sohin auch der Kläger) „im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit als selbständiger Unternehmer“ handelt. Bei dieser Unterwerfungserklärung handelt es sich nach Ansicht des Höchstgerichts allerdings um ein reines Formalerfordernis, das von dessen tatsächlicher Tätigkeit völlig losgelöst sei. Auf die Fiktion der Unternehmereigenschaft könne sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil sonst durch entsprechende Klauseln in Geschäftsbedingungen der zwingende Verbraucherschutz umgangen werden könnte.

Ausblick

Mittlerweile haben sich mehrere Senate dieser Entscheidung angeschlossen (siehe nur OGH 09.12.2021, 5 Ob 223/21m; 16.12.2021, 4 Ob 179/21h; 22.12.2021, 6 Ob 119/21z; 6 Ob 146/21w; 25.01.2022, 4 Ob 5/22x sowie 23.02.2022, 3 Ob 24/22h).

Spätestens durch diese Entscheidungen ist offensichtlich, dass sich der prozessuale Verbraucherbegriff nach der EuGVVO bzw. dem LGVÜ einerseits und der materiellen Verbraucherbegriff (in Grenzbereichen) unterscheiden. Sowohl bei den Gründungsgeschäften (zur Vorbereitung einer unternehmerischen Tätigkeit) als auch bei sog Dual-use-Geschäften ist der prozessuale Verbraucherbegriff enger gefasst als sein Pendant im materiellen Recht.

Die Frage, inwieweit die Erkennbarkeit der Verbraucher- bzw. Unternehmereigenschaft für den Vertragspartner relevant ist, hat der 8. Senat wohl noch nicht abschließend beantwortet. Insbesondere dazu hat sich RA Dr. Christoph Zehentmayer jüngst im nachstehenden Beitrag eingehende und weiterführende Gedanken gemacht:

>>Zehentmayer, Verbrauchereigenschaft des „Marketers“, der das Geschäftsmodell mit Rabattgutscheinen als Kapitalanlage nutzt. Anmerkung zu OGH 29. 11. 2021, 8 Ob 71/21f, ZFR 2022, 275<<

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